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Ich habe in meinem Leben schon viel gehört und erlebt. Und manches scheint sich zu wiederholen und eine Art ewige Schleife zu drehen, denn ich sehe es immer wieder.
Wenn wichtige Dinge auf später vertagt werden, weil es jetzt gerade wirklich nicht passt. Wenn versichert wird, dass man sich ja total gerne mal sehen würde und dann jeder vorgeschlagene Termin abgeblockt wird. Wenn vor lauter Gesäusel der Boden schon ganz glitschig ist. Wenn man bitte nur das Sonntagsgesicht zeigen und Wut, Verzweiflung, Traurigkeit und  verlorene Träume bitte vor der Tür lassen soll. Wenn Tiefe und Empathie bei anderen bewundert werden und bei einem selbst so selbstverständlich geworden sind, dass weder Dank noch wirklich berührende Begegnungen zum Repertoire gehören.
Mittlerweile ist meine Haut sehr viel dünner geworden. Meine Mitte ist mir schon vor einiger Zeit abhandengekommen und ich merke, dass sich neben meinem Sprachgebrauch auch mein ganz innerstes Gefühl geändert hat. Meine grundsätzliche Zuversicht hat sich derzeit wohl in den Urlaub verabschiedet und mir dafür einen derberen Umgang dagelassen, der mich erschreckt und der sich so unwirklich anfühlt. Ich bin körperlich erschöpft, seelisch auf eine Weise im Widerstreit mit dem, was ich hier vor mir liegen habe und derzeit als mein Leben bezeichne.
Wo ist denn jetzt bitte die schöne, saftige Möhre, die bis vor kurzem noch vor meiner Nase gebaumelt hat? Die Fülle, das Glücksgefühl, die Erleichterung, das laufende Business und dieser ganze geile Scheiß, der mir immer wieder versprochen wurde? Also ICH seh da nix! Nicht mal aus der Ferne winken oder so.
Was bleibt, sind nur Worte. Beruhigende Sätze, die immer hohler klingen, je öfter sie gesagt werden. Wo sind die Taten dazu? Wann genau ist denn dieses „irgendwann später“, wenn mal in die Tiefen getaucht werden soll? Warum landet so viel Gesagtes in schwarzen Löchern anstatt aufgegriffen und wirklich gesehen und angenommen zu werden? Ich bin es so satt zu warten und mir derweil in Gedanken ein ganzes Schloss aus Möhren zu bauen.
Deswegen sage ich es hier und jetzt, kampfeslustig mit erhobener Hand: Haut bloß ab, Ihr Schwätzer! Ich will nichts mehr hören von später und irgendwann, von Ausreden und warum dies und das und jenes nicht geht. Warum das Glück erst später kommt und warum es jetzt gerade wieder einmal unmöglich ist. Warum immer erst noch etwas und jemand anderes dran ist, um den sich gekümmert werden muss. Nein.
Ich höre ab sofort auf, mit meinen gedachten Möhren einsam herumzustehen und zu warten und mache nun einen großen, mutigen Schritt nach vorn. Für mich. Und für mich ganz allein. Das bedeutet nicht, dass mir ab sofort alle anderen Menschen egal sind. Es bedeutet, dass ich mich selbst wieder an die erste Stelle in meinem Leben setze, für meine Bedürfnisse einstehe und meinen eigenen, ganz höchstpersönlichen Job erledige: auf mich und mein Wohl zu achten. Denn nur so kann ich ICH sein, mein Strahlen wiederfinden und es dann im zweiten oder dritten Schritt auch mit anderen teilen. Ich möchte mich wie früher wieder darauf verlassen können, dass alles zu meinem Besten geschieht und dass dieses Leben mich wohlwollend in seinen Händen hält.
Denn ich habe verdammt nochmal das Recht, glücklich zu sein. So wie wir alle.